In einem Schadensfall gibt oft auf den ersten Blick eindeutig einen Verursacher und einen Geschädigten. Doch der Geschädigte kann sich nicht einfach zurücklehnen und auf die Erstattung seines Schadens warten. Er hat eine gesetzliche Schadensminderungspflicht.
Die sogenannte Schadensminderungspflicht ergibt sich aus § 254 Absatz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Danach hat in einem Schadensfall der Geschädigte die Pflicht, den Schaden anzuwenden oder möglichst gering zu halten (keine unnötigen Kosten zu verursachen) oder den Schädiger auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen. Ein Rechtsanspruch auf Geringhaltung des Schadens besteht zwar nicht, allerdings führt ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht zu einer Reduzierung des zu leistenden Schadenersatzes.
Der § 254 lautet wörtlich:
"1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern."
Das Begriff ist insofern irreführend, als der Geschädigte den Schadenersatz nicht wirklich mindern muss im Sinne von sich mit einem geringeren Betrag zufrieden geben als der tatsächliche Schaden kostet.
Nach einem Unfall hat A Anspruch auf Reparatur seines beschädigten Fahrzeugs sowie auf einen Mietwagen bzw. auf Nutzungsausfall während der Ausfallzeit. Die Versicherung des Schädigers B muss für diese Kosten aufkommen.
A bringt den Wagen erst nach zwei Wochen in seine Werkstatt, die die erforderlichen Teile erst bestellen muss. Die Reparatur dauert länger als nötig, außerdem wird sie von A nicht bezahlt, weil noch keine Reparaturkostenübernahme der gegnerischen Versicherung vorliegt und A nicht genügend eigene Mittel zur Verfügung hat.
Im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht hätte A hätte eine Werkstatt aussuchen können, die die Teile vorätig hat und zügig arbeitet. Außerdem hätte er zum Auslösen des Wagens einen Kredit aufnehmen können (dessen Kosten B hätte übernehmen müssen) oder zumindest dem Schädiger B Bescheid sagen müssen, dass er kein Geld hat, um die Reparaturkosten auszulegen.
Die Versicherung von B kann sich mit Recht weigern, A die Mietwagenkosten für den gesamten Zeitraum zu erstatten.
Mieter A hat eine Wasserleitung reparieren lassen, die vom Handwerker B nicht ordnungsgemäß abgedichtet wurde. A sieht, dass das Wasser heraustropft, stellt aber den Haupthahn nicht ab und fährt aber übers Wochenende ins Grüne. Als er wieder nach Hause kommt, ist das Rohr gebrochen und Teile der Wohnung stehen unter Wasser, der Parkettboden ist aufgequollen. Auch in der Wohnung unter ihm ist Schaden entstanden.
B muss die unmittelbaren Folgen der mangelhaften Reparaturausführung übernehmen, aber A muss für alle Folgekosten aufkommen, die er durch das sein rechtzeitige Eingreifen verursacht hat.
A schuldet der Firma B einen größeren Geldbetrag aus einem Kaufvertrag. Firma B hat A schon mehrfach vergebens angemahnt und Verzugszinsen geltend gemacht. A reagiert nicht, bittet auch nicht um eine Stundung oder Ähnliches.
Schließlich beauftragt B ein Inkasso-Büro mit dem Eintreiben der Schulden bei A. Die Kosten für das Inkasso-Büro werden ebenfalls A in Rechnung gestellt, denn als Schuldner hat er dem Gläubiger den gesamten Schaden als Verzugsschaden zu erstatten, den er durch seine Nichtzahlung verursacht hat.
Doch auch der Gläubiger hat eine Schadensminderungspflicht. So dürfen die Inkassokosten nicht höher sein als die Kosten, die entstanden wären, wenn ein Rechtsanwalt mit dem Eintreiben der Schulden beauftragt worden wäre. Ist für den Gläubiger schon bei der Erteilung des Inkassoauftrags erkennbar, dass der Schuldner zahlungsunfähig oder zahlungsunwillig, dann kann er die Kosten nicht geltend machen. Er hätte vielmehr die Pflicht gehabt, gleich den Weg eines gerichtlichen Mahnverfahrens zu gehen, das weniger kostet.
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