Hallo,
ich gehe davon aus, es handelt sich um indische Unternehmer, die den Hinweis auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft nicht auf die Rechnung gedruckt haben, aber immerhin 0% USt. bzw. keine Umsatzsteuer ausweisen. Sie geben in der USt.-VA einen § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG Fall an und ziehen in selbiger Höhe Vorsteuer ab - sofern Sie die Leistung für "umsatzsteuerpflichtige Umsätze" nutzen werden. Ohne Erwähnung in § 12 Abs. 2 dürften das 19% Umsatzsteuer sein.
In Ihrer Gewerbesteuer-/Einkommensteuererklärung können Sie die Netto-Aufwendungen als Betriebsausgabe geltend machen.
Szenario 1: Der Leistungserbringer ist eine Privatperson und kein Unternehmer.
Sonstige Leistungen, die nicht von Unternehmern erbracht werden, sind nicht steuerbar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG; § 2 Abs. 3 UStG).
Ich gehe aber davon aus, dass die Freelancer Unternehmer sind und ihre Dienstleistungen im Rahmen ihres indischen Unternehmens ausführen. Es gibt nur innerhalb der EU eine USt.-ID, deshalb konnte der indische Unternehmer Ihnen keine vorzeigen.
Szenario 2: Der Leistungserbringer ist Unternehmer.
Die Leistung ist grundsätzlich im deutschen Inland steuerbar und steuerpflichtig (§ 3a Abs. 2 UStG). Die Steuerschuld geht auf Sie als deutscher Unternehmer über, da der Leistungserbringer seinen Sitz im Ausland hat (§ 13b Abs. 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 UStG). Der Leistende darf in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen (so wie ich es lese, hat er das auch nicht - sonst wird das Ganze etwas blöder). In der Regel wird auch ein ausländischer Unternehmer auf die Umkehr der Steuerschuld hinweisen. Es gelten die Regelungen für die Rechnungsstellung des Staates, in welchem der Leistende ansässig ist (eventuell muss man in Indien nicht zwingend auf diese Umkehrschuld hinweisen).
Selbst wenn der Hinweis ausbleibt, liegt für Sie als Leistungsempfänger weiterhin ein Reverse-Charge-Sachverhalt vor. Da in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. Nr. 4 UStG keine ordnungsgemäße Rechnung gefordert wird, können Sie trotzdem Vorsteuer aus der Rechnung ziehen (Abschn. 13b.15 UStAE).
Der Steuersatz dürfte 19% betragen. Es gibt nicht sehr viele sonstige Leistungen, die in § 12 Abs. 2 UStG mit dem ermäßigten Steuersatz besteuert werden. Sie erklären also einen § 13b Abs. 2 Nr. 1 UStG Sachverhalt in Ihrer USt.-VA und führen für das indische Unternehmen 19% USt. ab. Im selben Moment erklären Sie einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG in selbiger Höhe. Wie genau Sie das umsetzen, hängt von Ihrer Steuersoftware ab. Im Elster ist es einmal die Zeile 42 und Zeile 58.
In Bezug auf Ihre zu erstellende Einnahmenüberschussrechnung oder Bilanz können Sie in beiden Szenarien den Rechnungsbetrag als Betriebsausgabe (§ 4 Abs. 4 EStG) berücksichtigen (ich gehe weiterhin davon aus, dass 0% USt oder keine USt ausgewiesen wird auf der Rechnung).
Ach ja, ich habe auch einen Fall mit einer in Deutschland ansässigen Person und einer Rechnung mit dem gleichen Szenario. Hier wurde keine Mwst. ausgewiesen, da die Bezahlung automatisiert über ein Onlineportal erfolgte.
TL;DR: Sie können aus dieser Rechnung keine Vorsteuer ziehen, weil keine ausgewiesen ist. Eventuell sollten Sie eine Berichtigung anfordern (siehe unten). Als Betriebsausgabe können Sie den gesamten Rechnungsbetrag geltend machen.
Umsatzsteuer
Ohne auf § 2a UStG einzugehen, können, wie oben beschrieben, Privatpersonen keine steuerbaren Umsätze erbringen und somit, auch keine Rechnungen i.S.d. UStG schreiben.
Wenn Sie eine Rechnung, über eine im Inland steuerbare und steuerpflichtige Leistung, von einem in Deutschland ansässigen Unternehmer erhalten, die keine Umsatzsteuer ausweist, können Sie keinen Vorsteuerabzug geltend machen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Es wird sich höchstwahrscheinlich auch nicht um einen § 13b Abs. 2 UStG Sachverhalt handeln, da der Rechnungssteller eine Hinweispflicht hat (§ 14a Abs. 5 UStG) und die von Ihnen bezogene Leistung höchstwahrscheinlich keinen Reverse-Charge-Fall im Inland auslöst.
Wenn es sich tatsächlich um einen Unternehmer i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG handelt, sollten Sie eine Rechnungsberichtigung anfordern, um aus der Rechnung die Vorsteuer geltend machen zu können. Falls Sie aber glauben, es ist eine Privatperson, die ein Mal eine Leistung an Sie erbracht hat und dafür eine kleine Entschädigung möchte, dann können Sie auch keine Rechnungsberichtigung anfordern - weil es keine Rechnung ist.
Weil sich nicht jeder damit rumschlagen möchte: Falls es sich um einen wiederkehrenden Geschäftsvorfall handelt oder der Rechnungsbetrag nicht unerheblich ist, sollten Sie auf den Rechnungsschreiber zugehen und zumindest fragen, warum hier keine Umsatzsteuer ausgewiesen wird. Aber Achtung: Sie haben natürlich nur einen Vorteil, wenn die Umsatzsatzsteuer bereits im Rechnungsbetrag inkludiert war und nicht erst auf Ihre Anfrage auf den bisherigen Preis hinzugerechnet wird. Am Ende haben Sie mit jemanden herumdiskutiert, der keine Ahnung hat von dem was er macht und Sie sind liquiditätsmäßig gleich weit wie vorher.
Einkommensteuer
Das EStG kennt keine "ordnungsgemäße Rechnung". Sie als Unternehmer sind jedoch dafür verantwortlich, Betriebsausgaben ihrer Höhe und ihrer betrieblichen Veranlassung nach darzulegen (BFH, 24.06.1976 - IV R 101/75). Das heißt für Sie nur, dass Sie dem Finanzamt auf Anfrage glaubhaft machen können müssen, in Höhe von X EUR im Rahmen Ihres Unternehmen Aufwendungen gehabt zu haben. Das sollten Sie mit Vorlage dieser Rechnung und dem tatsächlichen Geldabfluss glaubhaft nachweisen können.
Wenn keine Umsatzsteuer ausgewiesen oder keine deutsche Umsatzsteuer ausgewiesen wird (z. B. beim Tanken in Frankreich) können Sie den gesamten Rechnungsbetrag als Betriebsausgabe steuermindernd berücksichtigen.
Besten Dank erneut für die ausführliche Hilfe.
Ja, genau darüber hatte ich nämlich auch Bedenken.
Geändert am 20. Juli 2022 um 01:09
Super Vielen Dank sehr ausführliche Antwort!
Das ist ja super, ich dachte, ich hätte ein Riesenproblem, dass die Rechnung nicht als ordnungsgemäß betrachtet wird und dadurch nicht vom Finanzamt akzeptiert wird, aber da bin ich ja jetzt beruhigt dank Ihnen !