Ist es möglich, während eines Praktikums Kindergeld zu beziehen? Grundsätzlich ja, denn ein Praktikum gehört zur Ausbildung. Es gibt jedoch einige Einschränkungen.
Ein Praktikum ist per definitionem keine Erwerbstätigkeit, weil die Tätigkeit nicht auf den wirtschaftlichen Erwerb ausgerichtet ist. Im Allgemeinen ist das Ziel eines Praktikums nur der Erwerb neuer Kenntnisse und Fähigkeiten - unabhängig davon, ob das Praktikum unbezahlt oder bezahlt ist und auch unabhängig davon wie hoch die Praktikumsvergütung ist.
Ob nur eine Praktikumsbescheinigung ausreicht, kann pauschal nicht beantwortet werden. Es ist aber möglich. Der Familienkasse geht es darum, dass das Praktikum Ausbildungscharakter hat. Ist das Praktikum vorgeschrieben oder wird es beispielsweise vom Arbeitsamt empfohlen, reicht das im Allgemeinen aus. Andernfalls muss auf anderem Weg dargelegt werden, dass ein Bezug zum Berufsziel besteht. Ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 2017 (Az.: 10 K 1416/16 AO) ist dabei interessant.
Ein 22-Jähriger wollte eigentlich Buchkunst und Grafik-Design studieren, bekam aber keinen Studienplatz. Um die Zeit bis zum nächsten Bewerbungszeitraum zu überbrücken, arbeitete er ein Jahr lang als Praktikant in einem Tattoo-Studio und bekam währenddessen Kindergeld. Anschließend entschied er sich gegen das Studium, um sich als Tätowierer selbstständig zu machen, und die Familienkasse forderte das Kindergeld zurück. Die Mutter des 22-Jährigen klagte dagegen.
Der Richter gab der Klage gegen die Rückforderung mit folgender Begründung statt:
Der Begriff der Berufsausbildung umfasst jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Diese Voraussetzungen können auch dann erfüllt sein, wenn das Kind ein Praktikum absolviert. Dabei muss dem Praktikum kein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liegen.
Für ein Praktikum nach dem Abitur gilt ebenfalls, dass es zur Berufsausbildung gehören muss. Sind Praktika beispielsweise als Anerkennungsjahr für einen Studiengang oder eine Ausbildung nötig, ist dieser Umstand gegeben.
Für ein Praktikum nach einer ersten Berufsausbildung, zum Beispiel zwischen Bachelor und Master, gilt grundsätzlich das Gleiche. Es kann jedoch schwieriger sein, die Notwendigkeit eines solchen Praktikums für die Berufsausbildung zu belegen. In jedem Fall ist es einfacher, weiterhin Kindergeld zu beziehen, wenn Sie sich nicht exmatrikulieren. Beachten Sie auch ein Urteil des Finanzgerichts Münster vom 1. Juni 2011.
In dem verhandelten Fall hatte eine 21-Jährige zunächst eine schulische Ausbildung zur staatlich geprüften gestaltungstechnischen Assistentin mit dem Schwerpunkt "Grafikdesign" absolviert. Anschließend war sie für ein knappes Jahr unentgeltlich als Praktikantin bei einer Agentur für Kommunikation und Werbung tätig. Nach Auffassung der Richter ist die Gewährung von Kindergeld in diesem Fall jedoch auf sechs Monate begrenzt. Für den darüber hinausgehenden Zeitraum fehlte der Ausbildungscharakter des Praktikums, da ein konkretes Berufsziel nicht genannt wurde. Somit wurde sie nicht gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a Einkommensteuergesetz (EStG) für einen Beruf ausgebildet (Urteil vom 1.6.2011, Az. 11 K 4118/09 Kg).
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